Die schwedische Forschung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie sehr genau auf die Stimmen der Betroffenen gehört hat. Seit den späten 70er Jahren trafen sich schwedische Prostitutionsforscher_innen mit Betroffenen, ganz ohne Vorurteile, und hörten sich an was sie zu sagen haben. Die Expert_innen der Regierungskommission taten ab 1977 etwas eher ungewöhnliches: Sie verließen ihre Büroarbeitsplätze und besuchten mehr als drei Jahre lang Sex clubs, sprachen mit Prostituierten, Sexkäufern und anderen, die sie dort trafen. Sie wollten verstehen was genau Prostitution ausmacht. Heraus kam ein 800-Seiten-dicker Bericht, davon 140 Seiten Aussagen von Betroffenen (siehe unten). Seite für Seite erzählten prostituierte Frauen von ihrem Weg in die Prostitution, über die Sexkäufer, von der Rolle von Alkohol und Drogen, von Gewalt, Scham, Stärke und Überlebensstrategien. Diese Vorgehensweise war einmalig. Frühere Forscher hatten Prostitutierte als abnormal abgestempelt, Prostitution am Rand der Gesellschaft verortet. Durch diese Untersuchung jedoch wurde eine neue Grundlage gelegt.
Das Wort „Opfer“ kommt in dem Bericht übrigens kaum vor – im Gegenteil. Die Unterschiedlichkeit der Menschen in der Prostitution wird deutlich gemacht.
Die Untersuchungen wurden in den 80er und 90er Jahren fortgesetzt. 1983 veröffentlichte Stieg Larsson ein Buch, welches auf den Geschichten von 224 Prostituierten aus dem Malmö-Projekt (1977-1981) aus ihrer eigenen Perspektive resultierte: Könshandeln: om prostituerrades villkor (Der Sexhandel: über die Lebensbedingungen der Prostituierten). Weitere Studien zu den Profiteuren des Sexhandels und über Ausstiegsoptionen legten den Grundstein für die Gesetzgebung von 1999.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Schweden sehr ausführlich mit Betroffenen gesprochen wurde.
Quellen
- Kvinnofronten
- Kajsa Ekis Ekman: Being and Being Bought
- Borg, Arne et al (1981): Prostitution. Beskrivning. Analys. Förslag till atgärder. Liber Publishing, Stockholm.